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20. September 2019

Die Gefahren des No-Deal-Brexit

In einer Sitzung des Rates für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik am 20. September 2019 wurden die aktuellen Entwicklungen im Vereinigten Königreich und vor allem der drohende No-Deal-Brexit besprochen

 

Der britische Wirtschaftsdachverband CBI (Confederation of British Industry) gibt an, dass der kurzfristige Schock bei einem No-Deal-Brexit heftig sein würde:

  • Stau an den Grenzen sei unvermeidbar,
  • Supermärkte befürchten Engpässe bei der Lebensmittelversorgung; bestimmte Lebensmittel würden knapp - die Auswahl würde sinken, die Preise steigen
  • tausende von britischen Dienstleistungsfirmen dürften ihre Arbeit in der EU nicht mehr legal ausführen,
  • 80 Prozent des Lkw-Verkehrs zwischen Frankreich und England wären demnach um Tage verspätet,
  • an Flughäfen und Bahnhöfen könnten neue Kontrollen Chaos auslösen,
  • bei einem Großteil der Medikamentenimporte könnte es Lieferengpässe geben.

Dieser Zustand könnte sich über Monate halten, schreiben die Experten im "Yellowhammer"-Report, einer von der britischen Regierung in Auftrag gegeben Studie für den Fall eines No-Deal-Brexit, die erst auf Druck des britischen Parlaments veröffentlicht wurde.

 

Schwächung der Wirtschaftsleistung

Der Internationale Währungsfonds (IMF) schätzt, dass der No-Deal-Brexit die britische Wirtschaftsleistung im schlimmsten Fall um 8 % gegenüber einem Verlauf bei einem Verbleib in der EU schwächen wird. Die Bank of England erwartet im Extremfall eine Rezession und einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 5,5 % und eine Arbeitslosigkeit von 7 %. Wie lang die Schäden anhalten und wie sie langfristig die Entwicklung von Unternehmen beeinflussen, hängt davon ab, wie schnell ein neues Handelsabkommen mit der EU gefunden wird.

 

Regierung unvorbereitet auf mögliches Chaos

Die britische Regierung rechnet in ihrem Yellowhammer Report im schlimmsten Fall mit landesweiten Protesten und Gegendemonstrationen, die erhebliche Ressourcen der Polizei binden. Es bestehe auch die Gefahr von öffentlicher Unruhe. Personen mit niedrigerem Einkommen würden überdurchschnittlich stark von Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Treibstoff getroffen werden. 
Grundsätzlich seien Wirtschaft und Gesellschaft unzureichend auf den ungeregelten Brexit vorbereitet. Diese erschreckenden Erwartungen für "D1ND" - Tag 1 nach No Deal - kommen nicht überraschend: Die Veröffentlichung des Yellowhammer Reports macht offiziell, wie unvorbereitet die Regierung auf das mögliche Chaos ist.

Wie im Rat für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik von allen Teilnehmern versichert, ist Österreich auf ein mögliches No-Deal-Szenario sehr gut vorbereitet: Bei sämtlichen Fragen der Wirtschaft, des Handels, des Warenverkehrs, ebenso wie in sozialen Fragen österreichischer Staatsbürger in Großbritannien sei man vorbereitet.

 

Neue EU-Außengrenze Republik Irland - Vereinigtes Königreich 

Daszentrale Problem bei den Brexit Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU ist die Verhinderung von Kontrollen an der Grenze zwischen der Republik Irland und dem zum Vereinigten Königreich zählenden Nordirland. Mit dem No-Deal-Brexit würde diese Landgrenze zur neuen EU-Außengrenze und müsste bewacht und geschützt werden. Dadurch könnte eine Gefahr für den Frieden entstehen, der seit dem mühsam errungenen Karfreitagsabkommen von von 1998 besteht. 

 

Verheerende wirtschaftliche Folgen für Nordirland

Auch die Gefahr für die Wirtschaftsbeziehungen ist groß, denn die beiden Inselteile sind eng verknüpft. Einem Drittel der nordirischen Waren, die über die Grenze gehen – zumeist aus der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie –, drohen Zölle von 15 % oder mehr. In Kombination mit nichttarifären Handelshemmnissen, etwa Überprüfungen zur Einhaltung von Sanitär- und Hygienestandards, könnte der Handel um 20 % zurückgehen. Daher könnten nachteilige Folgen für Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie entstehen.  

Laut einer früheren Regierungsanalyse könnte die Bruttowertschöpfung in Nordirland gegenüber einem Szenario, in dem das Land Teil der EU bleibt, um 9 % tiefer ausfallen. Rund die Hälfte aller Warenproduzenten und fast die Hälfte aller Dienstleistungsfirmen, die grenzüberschreitend handeln, sind operativ schwach und können Schocks nur begrenzt verkraften. Einer von zwanzig Arbeitsplätzen in der Region wäre bedroht.

Nach Großbritannien und Nordirland würde die Republik Irland am stärksten die Folgen des Brexits spüren. Die irische Regierung nimmt an, dass ein ungeregelter Brexit kurzfristig 55 000 Arbeitsplätze und mittelfristig weitere 30 000 Stellen kosten wird. Laut einer im Juni 2019 publizierten Analyse befürchtet sie in diesem Szenario starke Einbrüche des irisch-britischen Handels und damit einhergehend, eine Gefahr für wirtschaftliche Entwicklung und Beibehaltung des Lebensstandards. Großbritannien ist Irlands zweitgrößter Handelspartner und fast alle irischen Exporte in den Rest der EU nutzen den (derzeit barrierefreien) Weg über Großbritannien als Landbrücke.

 

Der derzeitige österreichische Außenminister, Dr. Alexander Schallenberg, betonte, dass von EU Seite einer Verlängerung der Frist bis zum Austritt Großbritanniens möglicherweise zugestimmt werden würde, falls Großbritannien gute Gründe dafür nennt. Die Einheit der 27 EU Mitgliedsländer in dieser Frage sei wesentlich.
Für die EU sei bei den Verhandlungen die bedeutendste Frage Nordirland und der Backstop. Die EU besteht auf einer Sicherung des Karfreitagsabkommens, um den Frieden in dieser Region Europas zu erhalten.


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